Eine visuelle Identität für einen Kulturverein im Tiroler Dörfchen Zirl. Besonders viel
Wert wurde dabei auf die Vermittlung der Heterogenität des Vereins, bei gleichzeitiger
Wiedererkennbarkeit der Kommunikation des Vereins gelegt. Erreicht wird das durch
ein vom Bildmaterial losgelöstes Plakatlayout und einen starken visuellen Anker, der
wesentliche Bestandteile des Bildmaterials verdeckt. Der Betrachter oder die Betrachterin
soll so angeregt werden, sich für den Verein zu interessieren, um „das ganze Bild
zu sehen“.
Als Mitglied des Vereins „Die Selch“ hatte ich komplett freie Hand beim Gestalten der
visuellen Identität. Ich wollte diese Freiheit nutzen, um für die „Selch“, einen Kunst- und
Kulturverein und daher dafür prädestiniert auf extravagante Art und Weise präsentiert
zu werden, eine Identität zu konzipieren, die sich in wesentlichen Punkten von
klassischen Identitäten unterscheidet. Zusätzlich musste die Identität gewisse Punkte
erfüllen: sie sollte auch für einen kleinen Verein wie die „Selch“ im Tagesgeschäft umsetzbar
bleiben und des weiteren das kreative Potenzial des Vereins wiederspiegeln.
Diese beiden Voraussetzungen haben einen überraschenden Synergieeffekt: Dadurch,
dass in der „Selch“ hauptsächlich visuelle Werke verwirklicht werden, können entstandene
Werke auch der Kommunikation nach außen, etwa auf Plakaten, dienen. So wird
einerseits die Heterogenität des Vereins nach außen transportiert und andererseits die
Umsetzbarkeit spektakulärer Kampagnen erleichtert, da Werke schlicht und einfach
„recycelt“ werden können.
Um eine solch vielfältige Bildsprache trotzdem unmissverständlich mit dem Verein in
Verbindung zu setzen, musste ich allerdings weitere starke Kommunikationsmerkmale
finden, die nicht mit der genannten Vielfalt an Stilen in Konflikt treten. Die erste wichtige
Maßnahme war dabei die Vereinheitlichung der typografischen Gestaltung in der
Kommunikation des Vereins. Dafür erschien mir die „Berthold Akzidenz Grotesk“ die
richtige Wahl: Eine Serifenlose, die durch klare Formen besticht und einen großen Umfang
an Schnitten und Zeichen mitbringt und sich daher sowohl für großen Plakattext,
als auch für Fließtext eignet, aber ein sehr charaktervolles Schriftbild besitzt, das auch
für Laien klar von dem einer „Helvetica“ oder „Arial“ zu unterscheiden ist, auch wenn
das in den meisten Fällen nicht bewusst geschieht.
Ein weiteres Merkmal der Identität stellt das Logotype. Ich habe mich hier bewusst
gegen ein Bildzeichen entschieden, das anfangs angedacht war, um nicht der zunehmenden
Bekanntheit des Namens „Die Selch“, der gleichzeitig eine starke Wortmarke
bildet, im Dorf entgegenzuwirken und ein zusätzliches Zeichen etablieren zu müssen.
Ein Logotype erfüllt sodann die Aufgabe der Repräsentation, wenn die „Selch“ im Zusammenhang
mit einem Projekt oder einer Veranstaltung auf Plakaten, Flyern, Bannern,
Websites, etc. auftritt. Für das Logotype wurde ebenfalls die „Akzidenz Grotesk“
verwendet, allerdings ein Schnitt der „Akzidenz Grotesk Next“, die etwas schmaler läuft als die „Berthold Akzidenz Grotesk“ und so einen etwas eleganteren Eindruck macht.
Um einen freundlicheren Eindruck zu erzeugen, habe ich den rechteckigen i-Punkt
durch einen Kreis ersetzt und den oberen Weißraum des großen S minimal vergrößert.
Zusätzlich habe ich den Bogen des abschließenden kleinen h modifiziert, um sein Gewicht
etwas von der rechten Seite zu nehmen und so ein Drängen nach rechts (und
damit aus dem Logotype hinaus) zu verhindern.
Die Aufgabe eines visuellen Ankers übernimmt in der Identität ein schlichtes schwarzes
Rechteck, dessen Seitenverhältnis festgelegt ist und das genau dem der Tür zum
Selchofen, also des Einrichtungsgegenstandes, der der „Selch“ ihren Namen gibt, entspricht.
Eine wichtige formale Inspiration war dabei das Werk „Kongruent“ des Fotografen
Franko Lenart, in dem ein schwarzes Rechteck vom Fotografen in die Mitte des
Bildes gehalten wird, dabei von Bild zu Bild größer wird und schließlich das gesamte,
eigentliche Foto verdeckt. Das Rechteck dient in der Identität vor allem im Plakatlayout
dazu, wesentliche Bildbestandteile des Hintergrundmotivs zu verdecken. Diese
Maßnahme ist allerdings weniger als Zensur zu verstehen als als ein Vorenthalten von
Information, um das Interesse des Betrachters oder der Betrachterin, zunächst am
Plakat und dann am Verein selbst, dem was dahinter steckt, zu wecken. Das Schwäche
des Rechtecks ist die fehlende Prägnanz in der Form und die daraus resultierende
Schwierigkeit für den Betrachter bzw. die Betrachterin, das Rechteck auch wirklich als
Gestaltungsmittel wahrzunehmen. Dieses Problem muss durch ein konstantes Anwenden
des visuellen Ankers wieder wettgemacht werden: So befinden sich die Rechtecke
auf den Plakaten immer an derselben Stelle in denselben Ausmaßen und werden am
Briefpapier für einen Aha-Effekt auf die Rückseite gedruckt. So wird die Form zunächst
nur erahnt und erst beim Halten gegen das Licht wirklich sichtbar. Innerhalb
diese Konventionen ist allerdings durchaus ein Experimentieren mit der Form möglich
und erwünscht. Das Rechteck kann auf die Plakate aufgedruckt oder –geklebt werden
oder direkt im Motiv vorhanden sein.
Im direkten Zusammenhang mit dem visuellen Anker stehend, soll auch die ungewöhnliche
Plakatgestaltung, die innerhalb eines vierspaltigen Layout stattfindet und sehr
stark die mittleren beiden Spalten und damit die Vertikale betont, als wiedererkennbares
visuelles Element dienen.
Das letzte Merkmal der Identität beschäftigt sich mit der Auseinandersetzung der Jugendlichen
und jungen Erwachsenen in der Selch mit ihrer Heimat, dem Ort Zirl: Diese
findet zwangsläufig statt, da die Aktivitäten Selch stark lokal begrenzt (eben auf den
Ort Zirl) sind. In den entstehenden Arbeiten beschäftigen sich die Mitglieder des Verein
auf durchaus kritische und humoristische Art und Weise mit den Thematiken der Tradition
und des sonstigen kulturellen Erbes des Ortes bzw. Tirols. Um diese deutlich lokale
Prägung mit einem Augenzwinkern zu vermitteln, habe ich mich dafür entschieden, die
Plakatüberschriften im Tiroler Dialekt zu gestalten, was den erfreulichen Nebeneffekt
hat, dass die Überschriften durch den Einsatz vieler Apostrophen, langen Konsonantenreihen
und des Zeichens „å“ beinahe die Anmutung einer Fremdsprache erhalten
und so ebenfalls zum Blickfänger werden. Dieses Element wird am Briefpapier mithilfe
zusätzlicher Typografie im Briefkopf angewandt – der Leser oder die Leserin des Briefes
sieht so beim Öffnen des Briefs zunächst einen von sechs verschiedenen Ausdrücken
der Überraschung oder des Erstaunens im Tiroler Dialekt.
Falls du eine andere Datei in deine .zip- oder .rar-Datei packst, erkläre hier bitte kurz was in dieser zu finden ist!