DIPLOMARBEIT
MÖGLICHE WELTEN IM RAUM ZWISCHEN DOKUMENTAR-UND SPIELFILM
Spielfilm oder Dokumentarfilm? Robert Kramers Walk the Walk, Stanley Kwan's Centre Stage, oder Woody Allens Zelig geben keine Antwort auf diese Frage. Ganz im Gegenteil. Diese Filme spielen mit der Zweideutigkeit und eröffnen einen schwerelosen Raum zwischen Fiktion und Nonfiktion, der ganz eigene Möglichkeiten verspricht.
Aber was unterscheidet Dokumentation und Spiel? Was bedeutet Fiktion und Nonfiktion? Die vorliegende Diplomarbeit geht erst einmal der Frage nach, wie die beiden Gattungen des Dokumentarfilms und Spielfilms überhaupt voneinander unterschieden werden können. Dabei kommen vielerlei Aspekte zum Tragen, die nicht nur den filmischen Diskurs, sondern auch gesellschaftliche Konventionen und insbesondere das Publikum betreffen. Ein komplexes Spannungsfeld wird sichtbar, das ein Potential für diejenigen Filme darstellt, die sich zwischen den klassischen Gattungen bewegen.
Das Filmprojekt Sonnenflug stellt sich der Herausforderung, diese Spannung auf einem kreativen Weg zu nutzen. Der Fokus liegt auf Möglichkeiten der Filmgestaltung, die jenseits der historischen Referenz und der fiktionalen Einbindung auf einer Metaebene wirken und verschiedene Arten der Rezeption überlagern. Theorie und Werk bringen filmische Welten zum Vorschein, die eine Verunsicherung der Zuschauer/innen hervorrufen können, aber auch Freiräume schaffen, indem sie die Eindeutigkeit hinter sich lassen. Im Raum zwischen Fiktion und Nonfiktion werden Bilderwelten sichtbar, die vor allem eines sind, nämlich Filme.
SONNENFLUG
„Die Sonne scheint. Aber das scheint nur so. Unsere Sonne ist nichts anderes als ein flammendes Inferno, ein Vernichtung sprühender Gasball zwischen Werden und Vergehen, eine zwischen Milliarden von Jahren gespannte kosmische Katastrophe. [...] Alle Höllenfeuer noch unserer morbidesten Phantasie und der berühmtesten Apokalypsen sind gemütliche Ofenbänke gegen die atomaren Explosionen unseres geliebten Sterns, gegen die Katarakte tödlicher Lichtstürze. [...] Es schwindelt uns bei dem Gedanken, dass es nicht die sagenhafte Hölle des Teufels und seiner Großmutter ist, in die wir einst geraten mögen, sondern just jene Hölle, der wir entstammen, die uns geboren hat und hinausgestoßen ins planetarische Sein, in die Schnellkraft der Ellipsen, ins Abenteuer dessen, was wir Leben nennen;“ (Dieter Hildebrandt, 2008)
Dieser Film wird aber kein apokalyptisches Szenario ausmalen. Dieser Film möchte vielmehr die Perspektive ändern. Es geht um das Heraustreten aus unserer alltäglichen Wahrnehmung. Die Sonne soll bewusst werden als ein Stern, der unser Leben überhaupt möglich macht. Ein Stern, der uns Leben gibt, aber auch das Leben nimmt, irgendwann einmal. Ein Stern, der unser Dasein bestimmt und von dem wir Menschen auf Gedeih und Verderb abhängen. Letztlich soll die veränderte Wahrnehmung der Sonne, die selbst nur eine von vielen Milliarden Sonnen am Firmament ist, einen neuen Blick auf uns selbst herbeiführen. Der blaue Planet wird zu einem winzigen Ort des Zusammenlebens, der seinen Wert vor allem aus der Gemeinschaft erfährt.
In diesem Film wird nicht eine Geschichte erzählt. Es werden verschiedene Erlebnisse in Szene gesetzt, die indirekt über die Sonne zusammenhängen. Diese Erlebnisse unterscheiden sich nicht nur durch Zeit, Ort und Protagonist, sondern auch durch die filmische Herangehensweise. Dazu werden gleichermaßen dokumentarische wie fiktive Elemente bedient. Der dokumentarische Teil begleitet einen Sterngucker, der unsere Sonne nah heran holt. Dadurch werden Dinge sichtbar, die mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen sind. Das Teleskop verändert augenscheinlich die Perspektive und offenbart eine fremde Welt jenseits unseres Planeten, die jede Vorstellungskraft übertrifft.
Der fiktive Teil hingegen lässt die Sonne verdunkeln und nimmt uns mit auf eine Reise, die im Mittelalter beginnt. Zu dieser Zeit war die Sonnenfinsternis regelrecht furchteinflößend und ein Vorbote für Naturkatastrophen oder gar den Weltuntergang. Eine blinde Frau aus dieser Zeit wird unsere Heldin sein und der Finsternis ohne Furcht begegnen.
Der Rahmen des Films ist die gewohnte Sonne. Das gewohnte Naturschauspiel.Vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang. Innerhalb dieses Rahmens werden die Dimensionen der Sonne neu aufgespannt.
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Dreharbeiten Dokumentation: April - Oktober 2008
Produktion fiktiver Teil: ab Sommer 2009
Die Teambesetzung für die Umsetzung der mittelalterlichen Sonnenfinsternis ist noch offen, Interessierte sind jederzeit willkommen, auch für Bereiche wie Regie und Kamera!!