Die vorliegende Arbeit greift das Begriffspaar Imitation-Abstraktion im Bezug auf die Animation auf. Diese Begriffe sollen anhand bestehender Theorien und Definitionen analysiert werden und als zentrale Punkte im Vokabular der Animation lokalisiert werden. Die Problematik der Definition von Animation als eigenständige Bewegtbild-Form führt dabei zu einem Modell von Maureen Furniss, welches den gesamten Bereich bewegter Bilder mit diesem Begriffspaar umspannt. Weiterführend von diesem Ansatz werden die Begriffe einzeln genauer betrachtet. Dabei konzentriert sich die Thematisierung der Abstraktion vor allem auf die bildlichen Darstellungsmöglichkeiten und die künstliche Kreation visueller Phänomene. Neben der Bilderwelt wird jedoch auch auf die philosophischen Ansätze verschiedener AnimatorInnen eingegangen, welche die Abstraktion bzw. Animation an sich, als Möglichkeit zur Transformation von Realität und als Abkehr von Imitation betrachten. Der abstrakten Tendenz gegenüberliegend, beschäftige sich der Bereich der Imitation mit der Relation zwischen Animation und Realfilm. Paul Wells wirft den Begriff des realistischen Prinzips auf und beschreibt anhand diesem, wie sich insbesondere das Werk Walt Disney´s an eine realistische bzw. filmische Darstellung annähert. Der Grad der Imitation wird im Bereich der Computeranimation noch stärker forciert. Die Unterscheidbarkeit zwischen Animation und Realfilm wird teilweise völlig aufgehoben. Neben diesen rein imitativen Möglichkeiten im Bereich digitaler Animation, bildet sich gleichzeitig eine ambivalente Ästhetik die sowohl imitative als auch abstrakte Elemente vereint. Anhand des Second-order realism nach Andrew Darley soll geklärt werden, wie diese neue Ästhetik zu einer Hybridisierung alter Darstellungsmodi führt. Außerdem soll in dieser Arbeit auch auf die philosophische Debatte eingegangen werden welche durch diese beiden Tendenzen ausgelöst wird. Ziel ist es, die verschiedenen Ansichten miteinander zu vergleichen, um zu klären, welche sich mit meinem persönlichen Zugang zur Animation decken und welche Bedeutung sie im Bezug auf das Werk zu dieser theoretischen Arbeit haben.
Werk
Das Werk, ein Animationsfilm zu dem Gedicht Blauboad 1 von H.C. Artmann entstand in Zusammenarbeit mit Markus Wipplinger. Die Idee zu einer Teamarbeit entstand dadurch, dass wir beide mit verschiedenen Darstellungsformen im Animationsfilm experimentieren wollten. Das Finden eines passenden Themas bzw. einer Geschichte gestaltete sich anfangs als etwas schwierig, da wir zwei unterschiedliche theoretische Ansätze berücksichtigen mussten. Einerseits das Thema der Imitation und Abstraktion in der Animation, auf der anderen Seite das Unheimliche im Animationsfilm. Bei einer genaueren Besprechung der beiden Themen stellte sich jedoch heraus, dass beide Theorien sehr gut miteinander korrelieren und durchaus in einem Werk vereint werden konnten. Nach mehreren Versuchen, eine eigene Geschichte auf die beiden Arbeiten abzustimmen, erwies sich schließlich H.C. Artmanns Dialektgedicht Blauboad 1 als geeignetes Thema für die Umsetzung unseres gemeinsamen Werkes. Die morbide, surreale, zugleich aber auch schwarzhumorige Gestimmtheit, die dieses Gedicht evoziert, inspirierte uns zu einer abstrakt, expressionistischen Ästhetik. Für ein genaueres Verständnis der gewählten Inspirationsquellen und die Entstehung des finalen Stils der Animation, soll hier das Gedicht selbst dienen.
Blauboad 1
„i bin a ringlschbüübsizza
und hob scho sim weiwa daschlong
und eanare gebeina
untan schlofzimmabon fagrom...
heit lod i ma r ei di ochte
zu einen liebesdraum -
und bek s me n hakal zaum!
so fafoa r e med ole maln
wäu ma d easchde en gschdis hod gem -
das s mii amoe darwischn wean
doss wiad kar mendsch darlem!
i bin a ringlschbüübsizza
(und schlof en da nocht nur bein liacht
wäu i mi waun s so finzta is
voe de dodn weiwa fiacht...)“ (Artmann 1958)
Inspirationsquellen
Die Inspiration für den gewählten Stil fanden wir in den Gemälden Egon Schieles, Vincent Van Goghs und verschiedenen anderen expressionistischen Werken. Diese sollten sich im Sinne der Intertexualität und des Ekletizismus als abgewandelte visuelle Zitate im Werk wiederfinden. Die expressionistische Malerei wird in Verbindung mit dem surrealen Gedicht H.C. Artmanns gesetzt. Der visuelle Stil und die Poesie vereinen sich somit zu einem Ausdruck. Interessant war vor allem die Struktur, der spezifische Duktus dieser Gemälde. Dieser dient weniger der imitativen oder deskriptiven Beschreibung einer Stofflichkeit sondern vielmehr eines Gesamteindrucks. Insbesondere die Figuren Schieles dienten als Vorlage für die Hauptcharaktere des Gedichtes, den Ringlschbüübsizza (Ringelspielbesitzer) und das Mal (Mädchen). Die Figuren in Schieles Portraits erscheinen auf den ersten Blick gewöhnlich, gleichzeitig verströmen sie aber etwas sehr geheimnisvolles und abgründiges. Diese Aura wollten wir auf die Figuren in der Animation übertragen. An Van Goghs Gemälden waren es vor allem die organischen Formen und Farben die uns interessierten. Sie suggerieren in gewisser Weise eine fließende amorphe Bewegung. Gemensam mit der verträumten Farbigkeit, wollte wir diese transzendente Atmosphäre ebenfalls ins Werk übertragen.