Project Das unheimliche Objekt

Das unheimliche Objekt

MultiMediaArt, 2009

Thesis

Der theoretische Teil der Arbeit hat zum Ziel zu klären, warum besonders im frühen Animationsfilm eine so starke thematische, formale und auch stilistische Bindung an die Morbidität seiner Produktionsweise – dem Beleben von toter Materie – vorherrscht. Es wird davon ausgegangen, dass das Verhältnis des Subjekts zum Objekt immer ein von Abhängigkeit – und somit auch von Sorge geprägtes ist. Da erst über die Dinge das ‚Ich‘ entsteht bzw. dem ‚Ich‘ so etwas wie Realität aufgeht, muss es ständig um seine Existenz bangen, wenn sich ihm die Dinge entziehen. Diese tun das aber ständig – sei es durch ihre gleichgültige Leblosigkeit oder ihre materielle Auflösung durch Virtualisierungsprozesse. Animation ist so ein Prozess – Körper, Zeit und Raum verschwimmen, ‚Realität‘ wird zu einer austauschbaren Variabel. Der Mensch entfremdet sich zusehends von sich selbst und seiner Umwelt – er droht sich als Individuum aufzulösen. Vor diesem Hintergrund wird ‚Das Unheimliche‘ nicht nur in Hinblick auf die frankensteinsche Schöpferphantasie des Animationsfilms, sondern auch auf dessen struktureller Ebene untersucht. Um zu dieser ‚Realität des Unheimlichen im Animationsfilm‘ zu kommen, wird unter dem angesprochenen Begriff des Verschwimmens bzw. Verschwindens von ‚Realität‘ ein Bogen von Objektwahrnehmung, über Mensch-Ding-Beziehungen, hin zum ‚Unheimlichen‘ – das sich eben durch dieses Changieren zwischen ‚Realität‘ und ‚Fiktion‘ auszeichnet – gespannt. Dieses Changieren wird im Animationsfilm besonders deutlich, da ‚reale Objekte‘ fiktionalisiert werden, indem sie Belebung erfahren. Durch das ‚Sezieren von Bewegung‘ wird versucht dem Lebendigen auf die Spur zu kommen, allerdings gelingt das nie ganz. Vielmehr wird uns dabei vor Augen geführt, dass immer ein nicht kürzbarer Rest bleibt – etwas nicht Fassbares, ein ‚blinder Fleck‘ der in den Tiefen unseres ‚Selbst‘ schlummert. In der Thesisoption soll deshalb auf diesen ‚blinden Fleck‘ zugesteuert werden, da dieser – so die Annahme – eben den Strukturmoment des ‚Unheimlichen‘ ausmacht.

Werk

Das Werk entstand in Zusammenarbeit mit Markus Wagner. Die Idee zu einer Teamarbeit entwickelte sich, da wir beide mit verschiedenen Darstellungsformen im Animationsfilm experimentieren wollten. Wir fanden schließlich in H.C. Artmanns Dialektgedicht ‚Blauboad 1‘ ein geeignetes Thema für die Umsetzung unseres gemeinsamen Werkes. Die Geschichte basiert auf diesem Gedicht von H. C. Artmann, aus dem Band ‚Med ana schwoazzn dintn‘. Darin erzählt ein ‚Ringlschbüübsizza‘ (Ringelspielbesitzer) über seine amourösen Abenteuer, die immer blutig enden. Der Hauptdarsteller verfährt darin zutiefst fetischistisch. Er sammelt gewissermaßen Frauen – Trophäen, die ihm aber, obwohl sie gut unter dem Fussboden versteckt sind, unheimlich werden. Aus irgendwelchen irrationalen Gründen fürchtet er sich. Ist es die Angst vor deren Reanimation, vor der Macht, die sie auf ihn ausüben, ihn immer wieder morden zu lassen – man weiß es nicht. Gewiss ist nur, dass da etwas ist. Etwas das allem Toten – allen leblosen Objekten sowie Totgemachtem innewohnt. Etwas das jedem Lebenden einen Schauer über den Rücken treibt. Obwohl die Figuren menschliche SchauspielerInnen mimen, sind sie nicht mehr als solche auszumachen. Die Bilder wirken ‚als ob‘ sie der Illusion irgendeines/irgendeiner AnimatorIn entsprungen sind. Es wird somit jene ‚Als-ob-Struktur‘ simuliert, die auch der Realität selbst zueigen ist. Realitäts- oder Wahrheitsfindung kannd eshalb – wie Flusser schreibt – nur in einem ‚Spielen mit Möglichkeiten‘ funktionieren. Dieses ‚Spiel‘ sollte auch im Zentrum des Werks stehen.

Blauboad 1

„i bin a ringlschbüübsizza

und hob scho sim weiwa daschlong

und eanare gebeina

untan schlofzimmabon fagrom...

heit lod i ma r ei di ochte

zu einen liebesdraum -

und bek s me n hakal zaum!

so fafoa r e med ole maln

wäu ma d easchde en gschdis hod gem -

das s mii amoe darwischn wean

doss wiad kar mendsch darlem!

i bin a ringlschbüübsizza

(und schlof en da nocht nur bein liacht

wäu i mi waun s so finzta is

voe de dodn weiwa fiacht...)“ (Artmann 1958)

Inspirationsquellen

Die Inspiration für den gewählten Stil fanden wir in den Gemälden Egon Schieles, Vincent Van Goghs und verschiedenen anderen expressionistischen Werken. Insbesondere die Figuren Schieles dienten als Vorlage für die Hauptcharaktere des Gedichtes – den ‚Ringlschbüübsizza‘ (Ringelspielbesitzer) und das ‚Mal‘ (Mädchen). So erscheinen die Figuren in Schieles Portraits auf den ersten Blick gewöhnlich, gleichzeitig verströmen sie aber etwas sehr Geheimnisvolles und Abgründiges. Diese Aura wollten wir auf die Figuren in der Animation übertragen. Von besonderem Interesse war für unsere Zwecke deshalb die Struktur, der spezifische Duktus dieser Gemälde, der weniger der imitativen oder deskriptiven Beschreibung einer Stofflichkeit, sondern vielmehr dem Gesamteindruck dient. Die Figuren zelebrieren in ihrer Flächigkeit geradezu ihre Bildhaftigkeit. Auch die, durch die Maske überzeichneten Proportionen, lassen erst gar keinen Anspruch auf Realismus aufkommen. So wird auch das ‚Uncanny Valley‘ umgangen und die ‚Characters’ bleiben trotz ihrer surrealen Erscheinung glaubwürdig. Vorbild für die ‚Characters’ war mitunter auch der Film ‚Madame Tutli-Putli‘, in dem real aufgenommene Augen auf eine Puppentrickanimation ‚getrackt‘ wurden. Die Figuren erhalten so eine, durch Animation unerreichbare, Lebendigkeit. Gleichzeitig wirkt es aber auch, als ob die DarstellerInnen in einen Puppenkörper eingesperrt wären und sich dessen sogar bewusst wären. Dieses Unbehagen kommt in den ruckartigen Bewegungen ihrer Augen zum Ausdruck. Unser Ziel war es eine ähnliche Stimmung zu schaffen. Wir griffen deshalb die Idee auf, Menschen in Puppen zu transformieren und sie in einer Welt zwischen ‚Stoptrick‘-animierten Miniaturen (z.B. das Ringelspiel), Realaufnahmen von Nebel (der eigentlich Tinte, Kernöl bzw. Milch ist) und digital animierten Zeichnungen, zum Leben kommen zu lassen. Gerade durch diesen stilistischen Mix aus ‚Realität‘ und ‚Fiktion‘ entwickelt sich so ein unheimliches Gesamtbild – in dem die abstrakt, expressionistischen Bilder zusammen mit der morbid-surrealen, zugleich aber auch schwarzhumorigen Stimmung des Gedichts eine perfekte Symbiose eingehen. In diesem Eintopf verschwimmen buchstäblich Realität und Fiktion, Mensch und Ding – zu einer ‚Realität des Unheimlichen‘.

Appendices

Creators

Markus Friedrich Wipplinger

Konzept

Storyboard

Text

Animation

Markus Wagner

Animatic

Animation

Anonyme Person

Schauspiel